Felix Müller wollte mit seinem Gesellenstück eine Brücke zwischen Retrodesign und moderner Technik schlagen – auf die er bei der Fertigung mit Absicht weitgehend verzichtet hat.
Warum einfach, wenn es auch umständlich geht, so lautet eine beliebte Redensart. Das kann man sich schon fragen, wenn man sieht, wie Felix Müller sein Gesellenstück nach allen Regeln der Kunst auf Standardmaschinen mit Schablonen fertigt, obwohl die CNC bereits erfunden ist. »Mit der CNC kann das jeder, damit bist du kein Tischler« bekam er zu hören. Das wollte er sich nicht nachsagen lassen und wählte daher den steinigen Weg, um unter Beweis zu stellen, was er in seiner zweiten Ausbildung gelernt hat. Im Erstberuf ist Felix Müller nämlich Schlossermeister und mit der CNC-Technik durchaus vertraut. Den Stahlblechtrichter für sein Retrogrammophon hat er selbst hergestellt und auch in Holz traut er sich an Trichter heran. Die CNC kommt dabei lediglich für die Krater in den MDF-Korpusplanken zum Einsatz. Mit exakten Schablonen und einem Winkelanschlag an der Kreissäge sowie einem Vorsatzbrett an der Tischfräse lassen sich gleiche Korpusteile auch ohne CNC formatieren. Der fünfeckige Trichter mit seiner aus einzelnen Dreiecken zusammengesetzten Platte wird in jedem Arbeitsschritt – und vor allem in deren Summe – zum Gradmesser für die Genauigkeit. Mit Winkelmesser, Schwenkfräskopf und schwenkbarer Spindel tastet sich Felix Müller an die geschlossenen Fugen heran, welche ein BAZ – vermeintlich – auf Knopfdruck geliefert hätte. Sei’s drum: Wer sich auf diese Weise einmal in die analoge Fertigung eines komplizierten Korpus hineingefuchst hat, wird von seinen Erfahrungen auch in der digitalen Fertigung profitieren. Und an Tischfräse und Kreissäge macht Felix Müller so bald wohl keiner etwas vor. –JN
Felix André Müller
Der Tischlergeselle und Metallbauer mit Meisterbrief lebt in Hamburg. Mit seinem Gesellenstück hat er eine tolle Referenz für beide Professionen abgeliefert.